Der Schiedsrichtermangel im Fußballbezirk Riß nimmt immer dramatischere Züge an. Laut Jochen Oelmayer, Obmann der Schiri-Gruppe (SRG) Riß und stellvertretender Bezirksvorsitzender, können in der Saison 2022/23 die Spiele in der Frauen-Bezirksliga und der Reserverunde der Männer-Kreisliga B II nicht mehr mit geprüften Unparteiischen besetzt werden. Damit ist erstmals auch eine Liga im Aktivenbereich betroffen. In der B-II-Reserverunde war dies bereits in der Spielzeit 2018/19 der Fall.
„Die Entscheidung ist uns im Schiri-Ausschuss nicht leichtgefallen. Aber die aktuelle Personalsituation lässt uns leider keine andere Wahl“, erläutert Oelmayer. Die Vereine müssten sich nun selbst darum kümmern, wer das Spiel pfeift und dass die Erfassung der spielrelevanten Daten im Online-Spielbericht erfolgt. „Das ist eine ungute Situation, anders wäre es mir lieber“, so der Obmann. Der Bezirksvorstand sei informiert, der Württembergische Fußballverband (WFV) ebenso. „Von beiden Seiten gab es kein Veto“, sagt Oelmayer.
Extreme Personalknappheit
Schon beim Staffeltag des Bezirks Riß in Sulmetingen im Juli hatte der Obmann deutlich auf die verschärfte Lage im Schiri-Lager hingewiesen. In der Saison 2018/19 hätten 178 Unparteiische der SRG Riß 4614 Spiele geleitet. In der Saison 2021/22 seien es 128 einsetzbare Schiedsrichter gewesen, die 4039 Spiele gepfiffen hätten. „Die Schiedsrichtergruppe hängt am Abgrund“, sagte der Obmann seinerzeit, illustrierte dies mit einem entsprechenden Bild und fügte hinzu: „Unsere Schiedsrichter sind an der Belastungsgrenze. Die Personalknappheit ist extrem.“
Verbale Entgleisungen
In den vergangenen Jahren haben laut Oelmayer immer wieder Unparteiische aus verschiedenen Gründen aufgehört, zum Beispiel alters- oder studienbedingt. „Wir verlieren vor allem auch vermehrt junge Schiedsrichter, weil diese nicht damit klarkommen, wie es auf den Plätzen zugeht bei Jugendspielen. Dabei werden sie teilweise dermaßen verbal angegangen von Trainern, Betreuern oder Zuschauern, dass es nicht mehr feierlich ist“, so der 47-Jährige am Montag auf SZ-Nachfrage. „Da sind die Vereine gefordert. Sie müssen sich wieder mehr bewusst werden, dass sie da Verantwortung tragen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen haben.“ Auf der anderen Seite habe es in den vergangenen drei bis vier Jahren zu trainerlastige Neulingskurse gegeben, bei denen angehende Trainer nur ihre notwendigen Scheine gemacht hätten. „Aus diesen Kursen ist einfach zu wenig Schiri-Nachwuchs hervorgegangen“, sagt der Obmann.
Aktuell habe die SRG Riß 152 aktive Schiedsrichter auf der Liste stehen, in der vergangenen Spielzeit seien es noch 160 gewesen. Von den derzeit 152 Schiris seien ungefähr 15 familiär, studien- oder verletzungsbedingt kaum oder gar nicht einsetzbar. Laut Oelmayer bräuchte es zwischen 170 und 180 Unparteiische, um wieder alle Spiele besetzen zu können.
Richtungsweisender Neulingskurs
Was unternommen wird, um dem Rückgang entgegenzusteuern? „Aktuell planen wir mit mehreren Bezirken gemeinsam einen Neulingskurs nur für Frauen und Mädchen“, so der Obmann. Im Januar 2023 werde zudem der nächste Neulingskurs im Bezirk Riß stattfinden. „Da hoffen wir auf viele Anmeldungen, vor allem von Leuten, die nur Schiedsrichter werden wollen.“ Mindestens zwölf Teilnehmer brauche es, damit der Kurs zustande kommen könne. „Dass es so viele werden, davon gehe ich aus. Diese Anzahl an Neulingen würde uns aber nicht wirklich weiterhelfen, um die Abgänge kompensieren zu können“, sagt Oelmayer. „Je mehr Neulinge aus dem Kurs herauskommen, desto besser. Der Neulingskurs ist definitiv richtungsweisend, um zu verhindern, dass noch mehr Ligen nicht mit geprüften Schiedsrichtern besetzt werden können.“
Darüber hinaus sei die SRG Riß dabei zu überlegen, eine Kooperation mit Schulen zu starten, um auch junge Menschen für den Schiri-Job zu begeistern. Das Mindestalter, um Unparteiischer werden zu können, ist 14 Jahre. Zudem muss man Mitglied in einem Verein sein, Interesse am Fußball haben, jährlich mindestens 15 Spielleitungen übernehmen sowie an Lehrabenden teilnehmen.
Oelmayer sieht Vereine in der Pflicht
Der Schiri-Job sei sehr attraktiv. „Die Vergütung ist mittlerweile recht ordentlich und wurde in den vergangenen Jahren angehoben“, so der Obmann. Derzeit gibt es nach WFV-Angaben ab 14 Euro pro Spiel im Nachwuchsbereich. Bei Partien im Aktivenbereich ist die Aufwandsentschädigung deutlich höher. So erhält ein Schiri beispielsweise für ein Spiel in der Kreisliga 33 Euro, in der Bezirksliga 40 Euro oder in der Landesliga (52 Euro). „Die Persönlichkeitsentwicklung, die ein Schiedsrichter nehmen kann, ist enorm. Es hat sich in den vergangenen Jahren auch gezeigt, dass es bei Bewerbungen durchaus förderlich sein kann, als Schiri tätig zu sein“, sagt Oelmayer. Zudem hätten Unparteiische auch freien Eintritt bei allen Spielen bis zur Bundesliga.
Beim Thema Gewinnung von neuen Schiedsrichtern sieht der Obmann auch die Vereine in der Pflicht. „Nicht zuletzt weil sie Strafgelder zahlen müssen, wenn sie ihr Schiri-Kontingent nicht erfüllen“, so der 47-Jährige. Eigentlich solle laut WFV-Satzung auch kein Spiel ohne geprüften Schiedsrichter stattfinden.
(Artikel aus der Schwäbischen vom 16.8.22, Autor Felix Gaber)